Borreliose & Co: Nachtrag zum US-Gerichtsverfahren gegen führende Leitlinienautoren und Versicherer

 

Gestern erwähnte ich in meinem Artikel "Borreliose & Co: Neues von den US-Verantwortlichen für die gesundheitspolitische Misere", dass ein Gerichtsverfahren gegen Versicherungen einschließlich ihrer Berater anhängig ist. Heute - pünklich zu Nikolaus - möchte ich doch noch dazu noch ein paar Details nachreichen:

 

Achtundzwanzig Personen behaupten in einem Bundeskartellverfahren, dass Lyme-Borreliose-Opfer gezwungen sind, Hunderttausende von Dollar für die Behandlung zu zahlen, weil Krankenkassen bzw. Versicherungsunternehmen, die aufgrund falscher Leitlinien (erstellt durch bezahlte "Borreliose-Berater"), die Erstattung zusätzlicher Therapien nach der Standardtherapie verweigern. Diese Leitlinien, u. a. federführend von Dr. Wormser erstellt, implizieren, Lyme-Borreliose könne immer spätestens nach einem Monat Antibiotika geheilt werden.

 

Die Hauptklägerin, Lisa Torrey, leidet u. a. unter Migräne, Kopfschmerzen, unregelmäßigem Herzschlag, Hörproblemen und Nervenschmerzen. Über 36 Ärzte suchte sie auf, von denen sie die unterschiedlichsten Diagnosen erhielt. Angefangen von Multipler Sklerose über Fibromyalgie bis zu "psychosomatisch" bedingt, bis endlich die Diagnose Lyme-Borreliose erfolgte. Sie hat die Klage beim texanischen Bundesgericht eingereicht.

 

Torrey - vertreten durch den führenden Anwalt Eugene Egdorf verlangt einen Teil der fehlenden Krankenversicherung bzw. Erstattung für ihre Kosten von der US-Gesellschaft  Infektionskrankheiten, ID$A. Torrey behauptet in ihrer Klage, dass mehrere große US-Krankenversicherer in den 1990er Jahren zu dem Schluss kamen, dass die Behandlung der Lyme-Borreliose zu teuer und damit definitiv zu schlecht für ihre Gewinne sei. Bezahlte ID$A-angeschlossene Ärzte, wie Dr. Wormser und andere Borreliose-Leitlinienautoren, die an Lyme-Borreliose forschten, wurden als "Berater" engagiert. Im Jahr 2000 konnte die Krankheit noch mit 28 Tagen Antibiotika behandelt werden. In der Klage heißt es u.a.: "Diese Ärzte wussten, dass Kurzzeit-Antibiotika verabreicht über achtundzwanzig Tage bei bis zu 40 Prozent der Patienten die Lyme-Borreliose nicht ausreichend behandeln konnte. Das bedeutet, mehr als 100.000 Lyme-Borreliose-Patienten jedes Jahr blieben unterbehandelt , wenn man den ID$A-Leitlinien gefolgt ist."

 

Torrey verklagt die ID$A, die Versicherer Blue Cross und Blue Shield Association, Blue Cross und Blue Shield aus Texas, Anthem Inc., Aetna Inc., Cigna Corp., Kaiser Permanente Inc., United HealthCare Services Inc., UnitedHealth Group und mehrere Ärzte (hier findet man u. a. auch einige der Leitlinienautoren).

 

Torrey behauptet, dass sie und viele andere Patienten, die an chronischer Lyme-Borreliose leiden, einer mehrmonatigen antibiotischen Therapie bedürfen und zwar solange, bis die Symptome verschwunden sind.

 

Fakt ist: Die genannten Versicherungsunternehmen ließen sich für die 2006er Leitlinien erneut "beraten". Die Leitlinienautoren standen erneut auf ihrer Gehaltsliste.  Und siehe da: die 2006er Leitlinien fielen noch restriktiver aus als die 2000er. Wer mag da an Zufall glauben? (Die Machenschaften und finanziellen Verstrickungen der Leitlinienautoren sind u. a. im Buch "Die verschwiegene Epidemie" vertieft aufgedröselt und beschrieben worden). 

 

In der Klage heißt es: "Die ID$A-Leitlinien von 2006" befördern tatsächlich die Idee, dass Lyme-Borreliose eine simple und seltene Krankheit ist, die leicht zu vermeiden, schwierig zu erwerben und einfach zu diagnostizieren ist, sowie mit der Gabe von Antibiotika über 28 Tage ganz leicht zu behandeln und zu heilen ist." Obwohl diese Leitlinien nicht bindend sind, weigern sich Versicherungen, die über die Leitlinien hinausgehenden Therapiekosten zu erstatten und viele Ärzte behandeln auch nur nach dem restriktiven ID$A-Standard.

 

Laut der Klage beziehen sich die Leitlinien von 2006 v. a. auf einen Artikel von Dr. Leonard Sigal, einem der hier Angeklagten, in dem er behauptet, dass "chronische Lyme-Borreliose" nur in einigen geografischen Gebieten eine allgemeine klinische Diagnose sei und es an wissenschaftlich validierten Ergebnissen fehle."

 

Laut Torrey begannen die Versicherer mit Sigal zusammenzuarbeiten, um in den 1990er Jahren die Lyme-Borreliose abzuwehren. Sigal bezeugte in einer eidesstattlichen Aussage im Jahr 1996, die beklagten Versicherer haben ihm 560 Dollar pro Stunde (sic!) gezahlt, um Borreliose-Akten für sie zu überprüfen, und dass er fast immer die Verweigerung der gewünschten Erstattung der Kosten empfahl.

 

Torrey behauptet, dass Ärzte, die die Leitllinien als zu restriktiv kritisierten, ihre Zulassung gefährdeten, da sie von den Versicherungsunternehmen ins Visier genommen wurden.

 

"Als Folge ihrer Äußerungen wurden von 1997 bis 2000 mehr als 50 Ärzte in New York, New Jersey, Connecticut, Michigan, Oregon, Rhode Island und Texas untersucht, diszipliniert oder ihre Zulassungen eingezogen. Viele dieser Ärzte wurden von den Versicherungsvertretern an die Ärztekammern gemeldet", heißt es in der Klage.

 

Die Versicherer meldeten Ärzte, die chronische Lyme-Borreliose behandelten, an die Ärztekammern, was viele Ärzte dazu brachte, keine Borreliosepatienten mehr zu behandeln. Die Ergebnisse der Behandlungsleitlinien und das Mobbing der Ärzte seien für Torrey und ihre Mitkläger katastrophal gewesen, sagt sie.

 

Borreliosepatienten sind gezwungen, lange Wege in Kauf zu nehmen, um überhaupt Ärzte zu finden, die bereit sind, sie zu behandeln, wenn sie überhaupt noch fit genug sind, um weit zu reisen und wenn sie sich die Therapie und Reisen leisten können. Denn die Therapie kann in der Folge Tausende von Dollars kosten, die diese Patienten selbst bestreiten müssen, weil die Ärzte diese Kosten nicht über die Versicherer abrechnen wollen, heißt es in der Klage.

 

Torrey sagt, sie leidet jeden Tag an dieser Krankheit, die ihre Opfer sogar töten kann. Es gibt weitere Mitkläger und es bleibt abzuwarten, wie diese Klage ausgehen wird. Eine ID$A-Sprecherin meint: "Einzelberichte können zwar zeitweise relevant sein, sie können jedoch nicht als Grundlage für die Patientenversorgung dienen. Die veröffentlichte Leitlinie "Klinische Beurteilung, Behandlung und Prävention von Lyme-Borreliose, humaner granulozytärer Anaplasmose und Babesiose" spiegelt den besten Informationsstand der Wissenschaft wider, die einem breiten Spektrum an Ärzten zur Verfügung gestellt wird, die einen Patienten mit Symptomen der Lyme-Borreliose behandeln möchten."

 

Die beklagten Ärzte sind:

Gary P. Wormser
Raymond J. Dattwyler
Eugene Shapiro
John J. Halperin
Robert B. Nadelman
Leonard Sigal
und Allen Steere.

 

Alle, die schon länger im Thema sind, dürften mit diesen Namen etwas anzufangen wissen. Sollte es am Ende doch noch Gerechtigkeit geben und diese Autoren eine Strafe für schändliches Verhalten erwarten? Wir werden sehen ...

 

 

B. Jürschik-Busbach © 2017

 

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